28.09.2023 - Was will Putin?
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
Autor:
Inhalt:

Quelle: WLZ vom 19.05.2016.

Wie wurde Wladimir Putin vom KGB-Offizier in der DDR zum mächtigsten Mann und Gestalter des neuen Russlands, das sich immer weiter von den Vorstellungen des Westens entfernt?

Barack Obama stuft Wladimir Putin als eine der größten Gefahren für die Welt ein - gleich neben Ebola und den Terroristen des IS. Der russische Präsident wiederum kritisiert heftig die "Doppelmoral des Westens". Seit den Ereignissen auf dem Maidan herrscht Dauerfrost mit guten Aussichten auf eine neue Ost-West-Eiszeit. Wie konnte es Jahrzehnte nach dem Ende der Sowjetunion wieder so weit kommen? Hubert Seipel gelang es als einzigem westlichen Journalisten, Putin während der letzten fünf Jahre zu begleiten. Sein Buch ist die Geschichte einer gegenseitigen Entfremdung und Enttäuschung. Es gewährt tiefe Einblicke in die Motive und Vorstellungen des Wladimir Wladirnirowitsch Putin.

Zum Autor

Hubert Seipel wurde 1950 in Alzenau-Wasserlos geboren. Er arbeitete zunächst als Redakteur und Auslandskorrespondent für Stern und Spiegel, bevor er Anfang der neunziger Jahre zum Fernsehen wechselte und sich auf komplexe wirtschaftliche und politische Themen spezialisierte. 2012 sendete die ARD Seipels Dokumentation Ich, Putin - ein Portrait. Anfang 2014 führte er das weltweit erste Femsehinterview mit Edward Snowden. Im November 2014 interviewte er Putin zu seiner Position im Ukraine-Konflikt für die ARD. Seine Filme wurden u.a. zweimal mit dem Deutschen Fernsehpreis, dem Helmut-Schmidt-Journalistenpreis und dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet.

Hubert Seipel : Putin. Innenansichten der Macht
Hofmann und Campe Verlag 2015, 368 Seiten, 22,00 Euro
ISBN: 978-3-455-50303-6


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28.09.2023 - Inneneinsichten aus dem Kreml
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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Quelle: WLZ vom 23.05.2016.

VON ARMIN HENNIG

KORBACH. Wladimir Putin polarisiert wie kaum ein.Politiker, auch wenn Donald Trump seit seinem Erscheinen auf der politischen Bühne schnell ein ähnliches Schreckenspotenzial jenseits des Atlantiks entwickelt hat. Doch während beim politischen Quereinsteiger und Präsidentschaftskandidaten bislang nur Spekulationen über eine eventuelle Amtsführung möglich sind, bestimmt der starke Mann im Kreml seit über 16 Jahren die Geschicke Russlands.

Kein deutscher Journalist ist dem russischen Präsidenten so nahe gekommen wie Hubert Seipel, den das "Lesebändchen" ins Korbacher Bürgerhaus eingeladen hatte. Der Autor stellte sein Buch "Putin. Innenansichten der Politik" vor.

Gebrochenes Versprechen

Der mehrfach ausgezeichnete Journalist konstatierte, dass die zahlreichen Imageaufnahmen Putins - mit nacktem Oberkörper, mit Waffe und Pferd - eine nur allzugern überbetonte Seite des starken Mannes an der Spitze Russlands zeigten. Demgegenüber finde die negative Grunderfahrung Putins mit dem westlichen Bündnis in den Medien nur wenig Beachtung, wie der erst jüngst erfolgte Beitritt Montenegros zur NATO. Dabei gehe es dem Kreml weniger um die zusätzlichen 2000 Soldaten, die beim Eintreten des Bündnisfalls gegen Russland in Stellung gebracht würden, sondern vielmehr um den erneuten Bruch des während der Verhandlungen zur deutschen Einheit gegebenen Versprechens, dass es keine Osterweiterung der Nato geben würde.

Versäumnis der Führung

Den Umstand, dass nie schriftlich fixiert wurde, dass die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten für das westliche Verteidigungsbündnis tabu wären, werte Putin zwar als Versagen der politischen Führung beim Niedergang der Sowjetunion. Allerdings empfinde er den angeblich gegen eine nukleare Bedrohung durch den Iran in Polen und Rumänien in Stellung gebrachten Raketenschutzschild als eine echte Bedrohung.

Vor dem Hintergrund der stets in Kombination mit der EU-Mitgliedschaft auftretenden Osterweiterung und den Umständen des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine, sei Russlands Reaktion auf die Ereignisse auf dem Majdan und die Absetzung des demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch schon nachvollziehbar. Die Bilder über die Geschehnisse seien in allen Medien, ob Ost oder West, dieselben gewesen. Der jeweilige Kommentar und die Auslegung der Ereignisse hätten den Unterschied gemacht, so Seipel, der in diesem Zusammenhang die ARD- Berichterstattung kritisierte.

Kontakt nicht abgerissen

Ausgangspunkt seiner Bekanntschaft zu Putin sei ein Bericht über die Nord Stream Pipeline gewesen. Aus dem ersten rein wirtschaftspolitischen Interview habe sich dann ein größeres Projekt ergeben, das in das im Oktober 2015 veröffentlichte Buch gemündet habe. Der Kontakt zu Putin sei auch mit dem Ende der Arbeiten am Buch nicht abgerissen.


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28.09.2023 - Rund um die Uhr Lektüre leihen
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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Quelle: WLZ vom 22.06.2016

VON MARIANNE DÃMMER

KORBACH. Auch wer mitten in der Nacht neue Lektüre braucht, wird jetzt in Korbach fündig: Vor der "Apotheke am Bemdorfer Tor" hat der Verein "Lesebändchen" zwei Telefonzellen mit Büchern für Erwachsene und Kinder bestückt. Sie sind sieben Tage die Woche rund um die Uhr geöffnet.

Die Aufstellung der Bücherzellen gehe auf eine Idee des Lesebändchen-Mitglieds MarieLuise Lindenlaub zurück, erklärte Vorsitzender Ingo Hoppmann bei der Übergabe der Bücherzellen.

Austausch als Selbstläufer

Die Stadt stellte die Telefonzellen zur Verfügung, der Bauhof brachte sie vor Ort, Mitglieder des Lesebändchen malten sie gelb und brachten Regale an und die Grafiti-AG des Jugendhauses sorgte für das passende Design mit Außenwirkung: Eine gesprühte Bücherleiste ziert die beiden Zellen, die vom Lesebändchen-Verein betreut werden.

Die ersten Bücher stellte die Stadtbücherei zur Verfügung, erklärt die neue Leiterin Susanne Zimmerer. Ziel aber sei, den Büchertausch in den Zellen zu einem Selbstläufer werden zu lassen, betont Hoppmann: Jeder kann Bücher, die weder im heimischen Regal verstauben noch im Müll landen sollen, in die Bücherzellen stellen - oder sich Lektüre herausnehmen. "Das Angebot dient zur Leseförderung und richtet sich an alle, aber vor allem an diejenigen, die sich vielleicht keine neuen Bücher leisten können", erklärt Sybille Hoppmann vom Vorstand des Vereins. Der Platz am Berndorfer Tor vor der Apotheke sei ausgewählt werden, weil es dort Bänke und Kinderspielgeräte gebe.

Ort der Kommunikation

"So kommen die Leute, die Bücher bringen oder abholen, vielleicht auch mal miteinander ins Gespräch", sagt Sybille Hoppmann. Die Bücherzelle für Kinder werde schon sehr gut angenommen, es herrsche reger Betrieb.

Bei den Erwachsenen laufe der Austausch noch etwas zäh, erklärt Vorsitzender Hoppmann. "Das liegt wohl daran, dass manche ihre ganz alten Schätze dort auslegen, die niemand mehr liest. Es sollte natürlich auch etwas Aktuelles dabei sein", sagt Hoppmann.

"Die Stadt Korbach unterstützt das Projekt sehr gern", betont Sozial- und Kulturamtsleiterin Ute Jennemann. "Vielleicht wird dieser Platz rund um Bücher, Sitzplätze und Spielgeräte ja zu einem neuen Ort der Kommunikation", erklärt sie.


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28.09.2023 - Keine Altpapiercontainer
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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Quelle: Eder-Diemel Tipp vom 13.05.2017.

Korbach. Beim Lesebändchen e.V., dem Unterstützerkreis der Stadtbücherei Korbach, wurde zum dritten Mal in Folge der Vorstand in sein Amt gewählt. Vorsitzender bleibt Ingo Hoppmann. Weiter bestätigt wurden Monika Barowsky als Kassiererin und Sybille Hoppmann als Schriftführerin, Beisitzerinnen bleiben Agnes Schmidt-Balogh und Tanja Kroppen.

Auch die Büchertelefonzellen am Berndorfer-Tor-Platz waren Thema. Leider finden sich darin immer wieder Kisten mit Uralt-Büchern, die kein Mensch mehr lesen möchte. "Dann macht es keinen Spaß, nach Büchern zu stöbern", so Sybille Hoppmann. Daher die Bitte des Lesebändchens: "Die Bücherzellen sind keine Altpapier- oder Müllcontainer, sondern sollen eine Tauschbörse mit moderner Literatur darstellen!" Benötigt wird für die Bücherzellen gut erhaltene Kinderliteratur, die fast nicht vorhanden ist.


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28.09.2023 - Hoppmann im Amt bestätigt
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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KORBACH. Ingo Hoppmann bleibt Vorsitzender des "Lesebändchens", dem Unterstützerkreis der Stadtbücherei Korbach. In ihrem Amt bestätigt wurden bei der Jahreshauptversammlung auch Monika Barowsky als Kassiererin und Sybille Hoppmann als Schriftführerin sowie die Beisitzerinnen Agnes Schmidt-Balogh und Tanja Kroppen.

In seinem Rechenschaftsbericht erläuterte Hoppmann, dass es durch Absagen bekannter Persönlichkeiten wie Christoph Butterwegge, Norbert Blüm oder Daniel Cohn-Bendit im Vorjahr nur einen Abend mit Hubert Seipel gegeben habe, der aber auf großes Interesse gestoßen sei.

"Für den Herbst werden wir den zweiten Versuch starten, Christoph Butterwegge zum Thema Armut einzuladen", sagte Hoppmann. Einstimmig wurde beschlossen, sich am Hessentag 2018 in Korbach zu beteiligen. Geplant sind zwei Termine mit dem Schwerpunktthema "Integration".

Ein weiteres Thema der Versammlung waren die Büchertelefonzellen am Berndorfer-Tor-Platz, die zum Tauschen von Literatur einladen sollen. Leider finden sich darin immer wieder ganze Kisten mit Uralt-Büchern. Dies führe zu einem großen Pflegeaufwand für die Zellen. "Dann macht es auch keinen Spaß mehr, nach Büchern zu stöbern", sagte Sybille Hoppmann. Die Bücherzellen seien keine Altpapier- oder Müllcontainer, sondern sollten eine Tauschbörse mit moderner Literatur sein.

Benötigt würden noch gut erhaltene Kinderliteratur, die derzeit so gut wie gar nicht vorhanden, aber stark nachgefragt seien. (r) Foto: Archiv


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28.09.2023 - Sozialpolitik: Lesung mit Diskussion
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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Quelle: WLZ vom 02.11.2017.

Die Veranstaltung, die im September verschoben werden musste, wird damit nachgeholt - und zwar am Montag, 13. November, im Bürgerhaus Korbach.

Hengsbach studierte Philosophie, Theologie und Wirtschaftswissenschaften und gilt als der führende Sozialethiker in Deutschland. Er saß im wissenschaftlichen Beirat von attac. 2010 war er Mitbegründer der Initiative "Vermögenssteuer jetzt".

2011 bezeichnete er die Arbeitsmarktpolitik der vergangenen 30 Jahre als "völlig verfehlt". Die Regierungen seien vor der Wirtschaft eingeknickt und hätten die Maßstäbe der Sozialethik vergessen. In seinem neuen Buch "Was ist los mit dir, Europa" fordert Hengsbach zudem einen radikalen Umbau für Europa.

Service: Karten sind in der Stadtbücherei Korbach erhältlich. Eintritt: fünf Euro, ermäßigt drei Euro. Die alten Karten bleiben gültig oder können in der Stadtbücherei zurückgegeben werden. (r)


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28.09.2023 - Was ist los mit dir, Europa?
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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Quelle: WLZ vom 13.11.2017.

Für mehr Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität!

Was ist los mit dir, Europa? fragte Papst Franziskus, als er mit dem Karlspreis der Stadt Aachen ausgezeichnet wurde. Die EU ist aus den Fugen geraten. Nationale Strömungen durchkreuzen die Verständigung und den Zusammenhalt. Die politische Klasse verliert sich im Asylstreit.

Was hält den freien Fall auf? Friedhelm Hengsbach, Deutschlands führender Sozialethiker, fordert ein radikales Umdenken: gute Arbeit und Lebensperspektiven für die Jugend im Süden und Osten Europas. Einen
institutionellen demokratischen Umbau, der Europa eine Stimme in der globalen Welt gibt. Faire Beziehungen zu Entwicklungs- und Schwellenländern, statt imperialer Handelsabkommen. Und mehr direkte Beteiligung des Volkes. Denn Europa kann mehr.

Über den Autor:

Friedhelm Hengsbach SJ ist Mitglied des Jesuitenordens. Er studierte Philosophie, Theologie sowie Wirtschaftswissenschaften und promovierte 1976. Hengsbach war bis 2006 Professor für Christliche
Gesellschaftsethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main und Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik. Er lebt und arbeitet in der Katholischen Akademie Rhein-Neckar in Ludwigshafen (Rhein). Bei Westend erschien von ihm zuletzt „Die Zeit gehört uns“ und „Teilen, nicht Töten“.


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28.09.2023 - Rapp gegen neuen Rassismus
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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VÖHL. "Menschen leiden, doch es wird wieder weggeblickt", singt Kutlu Yurtseven von der Kölner Band "Microphone Maffia" auf der Bühne der Vöhler Synagoge in seinem türkischen Song "Insanlar" (deutsch: Menschheit), und er rappt gegen Rassismus und neue Fremdenfeindlichkeit. "Wenn wir weiter schweigen, wird uns dieses Schweigen selber erschlagen!"

Die zierliche Frau neben ihm, 1,47 Meter groß, die in wenigen Tagen ihren 94. Geburtstag feiern wird, Esther Bejarano, swingt und singt kraftvoll mit, getragen von den wummernden Bassläufen ihres Sohnes Joram an der E-Gitarre. "Dass wir hier stehen und seit zehn Jahren gegen Unrecht und Hass ansingen, ist meine späte Rache an den Nazis", sagt sie wenig später. Ihr Konzert in Vöhl ist besonders dem Gedenken an die Opfer der NS-Pogrome vor 80 Jahren gewidmet.

Der pomadige Filmschlager "Du hast Glück bei den Frauen, Bel Ami" von 1939, gespielt auf einem geliehenen Akkordeon, hat ihr das Leben gerettet, als im Todeslager Ausschwitz im Juni 1943 weibliche Häftlinge für das "Mädchenorchester" gesucht wurden. Auch dieses Lied singt sie in Vöhl mit unerschütterlicher Energie und so fröhlicher Distanz, dass schließlich das Publikum einzustimmen wagt. "Wir leben trotzdem! Wir sind da!"

Widerstand, Mut, Hoffnung, Kampf gegen neuen Faschismus - das sind die Themen, die Esther Bejarano in ihren Friedens-, Arbeiter- und Partisanenliedern anschlägt. Zu Beginn des Abends in der voll besetzten Vöhler Synagoge hat sie aus ihren "Erinnerungen" gelesen, ihre Qualen geschildert, wenn sie Musik machen musste, während die Arbeitskolonnen aus dem Tor des Lagers Birkenau zogen. "Immer nur diese schrecklichen Märsche!" Und sie schildert ihre wundersamen Rettungen als "Viertelarierin" bis zur Befreiung 1945.

Kutlu Yurtseven und Joram Bejarano sind stolz auf die alte Dame. Sie kommt kaum dazu, zwischen den Songs am Pfefferminztee zu nippen, den ihr Anna Evers auf die Bühne gebracht hat. "Wie viele rappende Uromas gibt es sonst noch auf der Welt?" fragt liebevoll Kutlu. Vor zwei Jahren War bei ihrem Auftritt in Vöhl noch ihr Bandfreund Rossi Pennino dabei, wesentlich jünger - aber ihm war das Touren zu anstrengend geworden.

Beim Schlusslied "Bella Ciao", dem weltbekannten Partisanenlied aus Italien, singt das Publikum auf ihre Einladung hin mit. "Ich bewundere diese Stärke! Wir sind betroffen, mitgenommen", gesteht Karl-Heinz Stadtler vom Förderkreis Synagoge Vöhl, als er Esther Bejarano zusammen mit Ingo Hoppmann vom mitveranstaltenden Verein "Lesebändchen" der Stadtbücherei Korbach mit einem Blumenstrauß verabschiedet. Das Publikum feiert die drei Künstler mit stürmischem Beifall im Stehen. Esther Bejarano bleibt, ein wenig erschöpft, noch eine Weile auf der Bühne sitzen. Sie nimmt sich Zeit, beantwortet Fragen. Das ist ihr Anliegen.


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28.09.2023 - Dann hätten sie uns erschossen
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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Quelle: WLZ vom 24.11.2018.

Von Julia Renner

KORBACH/VÖHL. Die Musik rettete ihr Leben: Esther Bejarano spielte Akkordeon im Mädchenorchester in Auschwitz, ihr Leben verschonten die Nazis deshalb. Später flüchtete sie während eines Todesmarsches. In der kommenden Woche wird die 93-jährige in Korbach und Vöhl von ihren Erlebnissen berichten - und mit der "Microphone Maffia" rappen. Im Interview mit der WLZ erzählt sie, wieso sie trotz allem Glück hatte im Leben und wieso sie mit ihrer Familie in den 1960ern wieder nach Deutschland kam.


Frau Bejarano, Sie mussten in einem Arbeitslager schuften, ein Großteil Ihrer Familie wurde ermordet, Sie selbst wurden in die KZs Auschwitz und Ravensbrück gebracht. Dennoch haben Sie mal gesagt, Sie hätten Glück gehabt im Leben. Das müssen Sie mir erklären.

ESTHER BEJARANO: Natürlich habe ich Glück gehabt. Dass meine Eltern und meine Schwester ermordet wurden und ich nach Auschwitz kam, war schrecklich. Aber ich hatte Glück, weil ich in Auschwitz nicht mehr so schwere Arbeit machen musste. Vorher musste ich schwere Steine von einer Seite eines Feldes auf die andere schleppen und am nächsten Tag wieder zurück. Also eine völlig unsinnige Arbeit. Aber man wollte damit unsere Kraft rauben.


Und Sie hatten Glück, weil Sie dann im Mädchenorchester in Auschwitz spielen konnten.

BEJARANO: Ja, ich hatte die Möglichkeit, ins Mädchenorchester zu kommen. Es wurde nach Frauen gesucht, die Instrumente spielten. Ich hatte gesagt, dass ich Klavier spielen kann. Ein Klavier gab es dort allerdings nicht. Die Dirigentin, auch eine Gefangene, sagte mir, dass eine Akkordeonistin gebraucht wurde.

Ich habe gelegen und gesagt, dass ich auch Akkordeon spielen kann. Dabei konnte ich das gar nicht. Ich sollte dann den Schlager "Du hast Glück bei den Frauen, Bel Ami" vorspielen und den kannte ich. Zur Dirigentin sagte ich, dass ich ewig nicht gespielt hätte und mich erst wieder reinfinden muss. Ich habe es dann ausprobiert und mir gesagt "Ich muss das können". Und ich habe es hinbekommen.

Und das war ein Glücksfall, weil das sozusagen ihr Leben gerettet hat.

BEJARANO: Genau. Und der zweite Glücksfall war, dass man in Auschwitz nach Mischlingen gesucht hat. Frauen, die entweder christliche Mutter oder christlichen Vater hatten. Das Internationale Rote Kreuz hat sich dafür eingesetzt, dass Mischlinge aus Auschwitz heraus kommen. Die Nazis hatten ein Gesetz, in dem es hieß, dass Mischlinge nicht in einem Vernichtungslager sein dürfen. Das Internationale Kreuz hat sich darum gekümmert, dass wir aus dem Lager kamen. Wir wurden nach Ravensbrück gebracht, ein ganz schlimmes Frauenstraflager. Aber es war kein Vernichtungslager.

Hat es das Musizieren im Orchester erträglicher gemacht, in Auschwitz zu sein?

BEJARANO: Mit Musik hatte das wenig zu tun. Wir mussten Märsche spielen. Und wir mussten am Tor stehen und spielen, wenn die Arbeitskolonnen morgens zur Arbeit gingen und abends, wenn sie zurückkamen. Es war eine psychisch ganz schlimme Arbeit, auch weil wir ein schlechtes Gewissen hatten, weil wir dort standen und Musik machten.

Noch schlimmer war aber, dass wir am Tor stehen und spielen mussten, wenn neue Transporte ankamen. Auf besonderen Gleisen kamen die Züge an und diese Gleise führten direkt zur Gaskammer. Alle Menschen, die in den Zügen saßen, sind in die Gaskammer gegangen. Und wir mussten da stehen und spielen. Das war das Schlimmste, was ich erlebt habe. Man konnte nicht helfen‚ niemanden warnen. Wir haben mit Tränen in den Augen dort gestanden und wir konnten nicht aufhören zu spielen, weil hinter uns SS-Männer standen mit ihren Gewehren. Wenn wir aufgehört hätten zu spielen, dann hätten sie uns erschossen.

Sie haben das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte miterleben müssen. Trotzdem ist Deutschland seit ]ahrzehnten wieder ihr Zuhause. Andere Juden, die geflohen sind, würden nie wieder zurückkehren. Warum sind Sie mit Mann und Kindern wieder nach Deutschland gekommen?

BEJARANO: Ich habe 15 Jahre in Israel gelebt, aber mein Mann und ich konnten die schreckliche Politik dort nicht mehr ertragen. Wir waren nicht einverstanden damit, dass die Palästinenser so schlecht behandelt wurden. Ausschlaggebend war für uns aber, dass mein Mann nicht in den Krieg ziehen wollte, er war ein Pazifist. Es gab aber keine Kriegsdienstverweigerung. Wäre er nicht in den Krieg gezogen, wäre er im Gefängnis gelandet. Deshalb mussten wir raus aus Israel.

Ein Bruder von Ihnen war in den 1930ern In die USA gegangen. Hatten Sie versucht, ebenfalls dorthin zu kommen?

BEJARANO: Eben nicht, weil wir kein Geld hatten. Wenn man mit einer ganzen Familie auswandert, muss man viel Geld haben. Aber ich wurde in Deutschland geboren, bin deutschsprachig. Also kamen wir nach Deutschland. Aber ich hatte zur Bedingung gemacht, dass ich nicht in eine Stadt ziehen werde, in der ich mit meinen Eltern und meinen Geschwistern zusammen gelebt habe. Das hätte ich nicht ausgehalten.

Sie sind dann nach Hamburg gezogen. Haben Sie sich dort immer wohlgefühlt?

BEJARANO: Am Anfang überhaupt nicht, es war schwer, zurückzukommen. Ich wusste ja, Deutschland ist das Land der Täter. Ich konnte mit den Menschen in der ersten Zeit absolut nicht sprechen. Ich habe mich bei jedem gefragt "Was hat der im Krieg gemacht? Vielleicht ist er der Mörder meiner Schwester oder meiner Eltern". Heute kann ich sagen, dass ich hier Zuhause bin. Aber ich kann nicht sagen, dass Deutschland meine Heimat ist. Heimat gibt es für mich nicht, weder in Israel noch in Deutschland.

Wie sehen Sie die aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland und der Welt? Gerade mit Blick auf die AfD und Populisten wie Trump?

BEJARANO: Das finde ich ganz schlimm. Gerade in Deutschland dürfte es eigentlich nicht mehr sein. Man müsste aus der Vergangenheit gelernt haben, aber das ist nicht der Fall. Heute haben wir die AfD, die NPD und das sind alles rechtslastige Parteien.

Macht Ihnen diese Entwicklung Sorgen?

BEJARANO: Sehr große Sorgen. Ich sehe auch Parallelen zur damaligen Zeit.

Auch der Antisemitismus scheint wieder zu erstarken. Spüren Sie das auch?

BEJARANO: Natürlich. Es gab zwar keine Angriffe auf mich, aber ich sehe, was alles passiert. Aber es geht nicht nur um Antisemitismus, sondern allgemein um Rassismus. Ich kann das nicht begreifen, dass manche Menschen kein Herz haben und die Flüchtlinge ins Land lassen wollen. Das war damals das gleiche.

Sie sind viel unterwegs mit der "Microphone Mafia", aber auch, um aus Ihrer Autobiografie zu lesen. Wieso muten Sie sich das immer wieder zu, das Geschehene noch einmal zu durchleben?

BEJARANO: Das mache ich. Aber ich mache das, weil es ganz wichtig ist. Es ist wichtig, dass junge Menschen wissen, was damals passiert ist. Ich bin froh, dass ich das machen kann. Viele Schüler schreiben mir und bedanken sich bei mir.

Sie machen es gern und werden es wahrscheinlich weitermachen, so lange es möglich ist?

BEJARANO: So lange ich kann, so lange ich lebe.

Zur Person

ESTHER BEJARANO ist 93 Jahre alt. Geboren wurde sie in Saarlouis als Esther Loewy, kurz darauf zog die Familie nach Saarbrücken. Der Vater war Oberkantor in verschiedenen jüdischen Gemeinden. 1941 wurde sie in einem Zwangsarbeitslager interniert, im April 1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert. Dort überlebte sie als Mitglied des Mädchenorchesters. Von Auschwitz wurde sie ins KZ Ravensbrück gebracht. Aufeinem der folgenden Todesmärsche konnte sie fliehen. Sie lebte in Israel, heiratete, bekam zwei Kinder und kam 1960 nach Deutschland. Sie ist ausgebildete Musikerin. (ren)

Hintergrund

Lesung, Erinnerungen und Rapmusik

Auf Initiative des Lesebändchens Korbach ist Esther Bejarano am Donnerstag, 29. November, zu Gast bei Schülern der Alten Landesschule und der Beruflichen Schulen Korbach. Am Abend spielt sie ab 19 Uhr mit der "Microphone Mafia" in der Synagoge Vöhl. Die Gruppe singt und rappt gegen Gewalt. Die Musik - auf Deutsch und Jiddisch - wird ergänzt durch Lesebeiträge Esther Bejaranos.


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28.09.2023 - Rappen gegen Rassismus
Ersch-Datum: 1
Kategorie: presse
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Quelle: WLZ vom 15.11.2018.

VÖHL/KORBACH. Im Gedenken an den 80. Jahrestag des Novemberpogroms von 1938 laden der Verein Lesebändchen aus Korbach und der Förderkreis Synagoge in Vöhl die Zeitzeugin Esther Bejarano am Donnerstag, 29. November, um 19 Uhr erneut in die Vöhler Synagoge ein.

Die Veranstaltung, die vom Netzwerk für Toleranz unterstützt wird, soll ein Zeichen setzen gegen Rechtsextremismus und Rassismus.

Esther Bejarano, inzwischen fast 94 Jahre alt, ist eine der letzten Überlebenden des Mädchenorchesters Auschwitz. Sie hat Geschichte am eigenen Leib erlebt, hat den Schrecken des dritten Reichs mitsamt Aufenthalten in den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück auf schmerzlichste Art und Weise spüren müssen. Seit Jahren tourt sie mit ihrem Sohn Joram und Musikern der Kölner "Microphone Mafia" mit ihrem einzigartigen musikalischen Projekt durch Deutschland.

Drei Generationen lassen ihre kulturellen, menschlichen, musikalischen und persönlichen Ansichten und Gedanken verschmelzen und singen und rappen gegen Rassismus und Gewalt.

Sie singen Lieder in jiddischer Sprache, die in den Ghettos und KZs entstanden sind. Darin drückt sich Esther Bejaranos Herkunft, Geschichte und Selbstverständnis als Jüdin aus.

Und sie beschäftigen sich mit der Gegenwart: Mit Ausgrenzung, Rassismus, Gewalt und Krieg. Es ist ein ungewöhnliches künstlerisches Projekt, in dem musikalische Widersprüche harmonisch in Einklang gebracht werden.

Die Musik ergänzt die Lesungen aus Esther Bejaranos Autobiographie "Erinnerungen" (Iaika Verlag, Hamburg). Dort erzählt sie, wie nachdem das Lager Ravensbrück Anfang 1943 aufgelöst wurde, alle Insassen ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden.

Gerettet durch Musik

"Ich bekam die Nummer 41948. Namen wurden abgeschafft, wir waren nur noch Nummern", berichtet sie. Gerettet hat sie die Musik, denn sie wurde ins Mädchenorchester von Auschwitz aufgenommen, das jeden Tag die Kolonnen auf ihrem Weg zur Arbeit begleitete.

Was sie dort mit ansehen musste, wird sie ihr Leben lang nicht vergessen. Davon legt sie Zeugnis ab und kämpft gegen das Vergessen.

Informieren an Schulen

Vor ihrem Auftritt in Vöhl ist Esther Bejarano am 29. November vormittags auf Initiative des Lesebändchens Korbach zu Gast bei Schülern der Alten Landesschule und des Beruflichen Gymnasiums. Denen gibt sie mit auf den Weg: "Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt." (r)


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