Waldeckische Landeszeitung | 04.09.2020
VON ARMIN HENNIG
Korbach - Die Journalistin und Schriftstellerin Bernadette Conrad hat ihr im Gespräch mit Cornelia Funke entstandenes Buch "Groß und stark werden" zum Thema Erziehung am Sonntag im Korbacher Bürgerhaus vorgestellt.
Am Anfang des Projekts mit der "einflussreichsten Mit-Erzieherin der Welt" stand der spontane Wunsch der damals 14-jährigen Tochter, doch einmal ihre Lieblingsautorin zu treffen, wenn man schon mal in Los Angeles sei. Der frisch erschienene dritte Teil des "Reckless-Zyklus von Cornelia Funke erwies sich dabei als idealer Türöffner. In der Reihe um märchenhafte Parallel-Welten hinter dem Spiegel hatte die Erfolgsautorin auch den Tod ihres Mannes (2006) und die Ängste als allein erziehende Mutter verarbeitet. Beim Treffen fanden beide Autorinnen eine gemeinsame Ebene: Die Sorgen und Einflussmöglichkeiten von Müttern in einer Welt, die sich so sehr von der von anderen Freiräumen und Erfahrungsmöglichkeiten geprägten eigenen Kindheit unterscheidet.
Mehrstündige Streifzüge durch die Umgebung mit Freunden oder im Alleingang sind kein Thema mehr, dank verändertem Risikobewusstsein stehen Kinder heute unter stärkerer Beobachtung durch Technik oder Eltern, die jede Viertelstunde nach dem Rechten sehen.
Beim Freiraum Reich der Fantasie verdrängen elektronische Medien mehr und mehr das Buch. Für Cornelia Funke lässt sich keine Entwicklung mehr zurückdrehen, Mütter müssen lernen, ihren Kindern bei der Suche nach dem eigenen Weg zu vertrauen. Gerade Ben, der Sohn der Erfolgsautorin erwies sich dabei als harte Probe. Er hat sich als Teenager auch Herausforderungen gesucht, die für berechtigte Ängste bei Müttern gut sind: Extremsportarten und Experimente mit Drogen. "Kinder suchen sich immer ihre Freiräume, unter den aktuellen Bedingungen ersetzen Streifzüge durch das Internet mehr und mehr die Abenteuer in der Nachbarschaft", in diesem Punkt ist sich Bernadette Conrad mit ihrer Kollegin absolut einig.
Sie will aber bei den prägenden Erfahrungen möglichst wenig an die digitalen Medien abgeben: "Den Speicher aus den Erfahrungen der Kindheit kann einem keiner mehr nehmen. Ein Grundstock an realen Erfahrungen sollte auf jeden Fall bestehen. Kinder unter zehn Jahren brauchen so vieles andere mehr als digitale Welten. Es wird aber zweifellos ein Nebeneinander geben."
Glückliche Eltern bezeichnet Bernadette Conrad als eine wichtige Voraussetzung für ein harmonisches Aufwachsen.